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Senioren-WM: Tim Reitz erkämpft sich den 5. Platz im Zehnkampf mit sieben Bestleistungen und 5513 Punkten

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Bild zur Meldung: Die erfolgreichen Zehnkämpfer der Altersklasse M40

Einen Traumwettkampf bei seinem ersten internationalen Wettkampf legte Zehnkämpfer Tim Reitz (SV Espenau) im finnischen Tampere hin. Als bester Deutscher, WM-Fünfter und mit einem Gesamtergebnis weit über der 5000-Punkte-Marke übertraf er nicht nur seine eigenen Ziele, sondern auch die Erwartungen der Experten deutlich. Dank einer langen Vorbereitung mit sehr vielen Trainingseinheiten und Wettkämpfen während seiner Elternzeit konnte der 40-Jährige aus Espenau nun eine satte Ernte einfahren. Rund 20 Jahre nach seinem ersten und letzten Zehnkampf verblüffte er die Fachwelt mit seinen beständig starken und zum Teil überragenden Ergebnissen über beide Wettkampftage hinweg ohne einen einzigen Ausrutscher.  Einen Schockmoment zweieinhalb Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaften, als sich Tim eine leichte Zerrung im Oberschenkel seines Sprungbeins zuzog, konnte er mithilfe einer Last-Minute Regeneration glücklicher Weise verkraften. 

 

Von Beginn an zeigte sich Tim hellwach und topfit. Sein Oberschenkel hielt der ersten richtigen Belastungsprobe unter Wettkampfbedingungen seit fast drei Wochen Stand. Die 100 Meter sprintete er in 12,88 Sekunden erstmals seit vielen Jahren wieder unter 13 Sekunden. Im Ziel war er sofort begeistert von dieser Zeit und nahm sehr viel Motivation in den anschließenden Weitsprung mit. Dort ließ der nächste Paukenschlag nicht lange auf sich warten, denn die wechselnden Winde beim Anlauf beherrschte Tim wie kein Zweiter. Gleich im ersten Versuch traf der Athlet vom SV Espenau das Brett perfekt und segelte anschließend bis auf 5,56 Meter hinaus – Seniorenbestleistung Nummer zwei und großer Jubel bei Tim und seinen Anhängern. Viel besser kann es zum Auftakt eines Zehnkampfes kaum laufen! Mit diesem bärenstarken Einstand ging es dann raus aus dem Stadion zum Nebenplatz, wo das Kugelstoßen, eine von Tim nicht so sehr geliebte Disziplin, ausgetragen wurde. Der behelfsweise installierte Kugelstoßring auf einem Rasenplatz zwischen Stadion und Hafen erwies sich als rutschig und war unter den Teilnehmern eher unbeliebt. Es schien zudem, als müsse man die Kugel auf ein Gelände stoßen, das leicht bergauf zum Stadion führt. Aber die Bedingungen waren schließlich für alle Konkurrenten gleich und so musste das Beste daraus gemacht werden. Nach anfänglichen Problemen und einem Schuhwechsel fand Tim allmählich in den Wettkampf hinein und erfüllte mit 8,99 Metern sein im Vorfeld gestecktes Ziel im Bereich der 9-Meter-Marke. Auch mit diesem Ergebnis konnte er gut leben, nur wenige Konkurrenten zeigten hier Weiten über zehn Meter. Schon nach den ersten drei Disziplinen fand sich der Espenauer auf einem überraschend guten fünften Rang, 28 Punkte vor dem zweiten Deutschen Carsten Nitschke, wieder. Mit diesem Rückenwind ging es im Stadion an der Hochsprunganlage weiter. Das Ziel von 1,50 Metern konnte Tim mehr als erfüllen, denn auch die nächste Höhe von 1,53 Metern schaffte er, obwohl sein Timing über der Latte längst nicht optimal war. Dies war die dritte persönliche Bestleistung im Seniorenalter. Auf den Videoaufnahmen seines Betreuerstabs zeigte sich deutlich, dass er potenziell viel höher in der Luft steht, aber danach wegen seines zu großen Abstandes immer wieder von oben auf die Latte drauffällt. „Mit einem besseren Timing könnte ich hier locker 1,60 Meter und mehr springen“, ist sich Tim sicher. Zum Abschluss des ersten Wettkampftages machte er im 400 Meter-Lauf eine sehr gute Figur und beendete seinen Lauf auf dem zweiten Platz nach 57,55 Sekunden – wieder in Seniorenbestleistung. Sein Ziel von 58 Sekunden konnte er klar erfüllen und kam nach fünf Disziplinen, also zur Halbzeit des Zehnkampfes, auf 2786 Punkte und Rang fünf in der Gesamtwertung. Als bester Deutscher übernachtet er mit knapp 50 Punkten auf Carsten Nitschke auf dem sechsten Platz. Derweil hat sich vorne ein Quartett mit 3000 Punkten und mehr abgesetzt, der haushohe Favorit Jorge Sanchez Simon aus Spanien führt an dieser Stelle mit über 200 Punkten vor dem Briten Kevin Cranmer, Jeff Thomas aus den USA und dem Italiener Valerio Terreni, die sich allesamt in einem engen Rennen um die weiteren Podiumsplätze streiten. Für Tim galt es nun, sich für den zweiten Wettkampftag mit weiteren fünf Prüfungen möglichst gut zu erholen und die hinter ihm platzierten Konkurrenten auf Distanz zu halten. Nach vorne, so viel stand fest, wäre ohne große Überraschungen nichts mehr gegangen, dafür waren die Punktabstände zu groß und die Gegner zu stark.

 

Am nächsten Morgen quälte sich Tim müde aus dem Bett, die Nacht war kurz und für den nächsten Wettbewerb, den Hürdenlauf, musste er seine Unterkunft bereits früh verlassen. Da war es sicher keine große Hilfe, als jemand nachts im Nebenraum die Waschmaschine anstellte, die dann derart laut trommelte, dass unser WM-Teilnehmer erst viel zu spät zur Ruhe kam. Vielleicht hat es aber auch dazu beigetragen, dass Tim in ähnlich schnellem Takt durch den 110 Meter langen Hürdenwald hindurch trommelte und dabei seinen eigenen Nordhessischen Rekord auf 17,85 Sekunden verbesserte. Wenn man berücksichtigt, dass er an der zweiten Hürde mit dem Nachziehbein hängen geblieben ist und so erstmal an Geschwindigkeit verloren hat, wäre hier vielleicht eine Fabelzeit nahe der 17,5 Sekunden drin gewesen. Man darf sich an dieser Stelle schon die Frage stellen, wie man nach einem langen Wettkampftag mit fünf Disziplinen schon am nächsten Tag wieder zur Höchstleistung auflaufen kann. Welche Rolle dabei zum Beispiel das All-you-can-eat Buffet am Vorabend gespielt hat, darüber lässt sich im Nachhinein natürlich nur spekulieren. Durch diese Glanzleistung in der sechsten von zehn Prüfungen konnte sich Tim bereits ein kleines Polster auf die nachfolgenden Plätze verschaffen. Es sprach so immer mehr dafür, dass er seine ersten Weltmeisterschaften auf einem hervorragenden fünften Platz beenden würde, wenn ihm in den beiden Wurfdisziplinen oder im Stabhochsprung kein großer Patzer mehr passiert und der lädierte Oberschenkel die Belastungen weiter übersteht. Kurz vorm Diskuswerfen wandelte sich das Bild im Stadion etwas. Das zuvor ideale Leichtathletikwetter bei rund 25 Grad und einer Mischung aus Sonne und Wolken machte nun Platz für leichten Regen, der dafür sorgte, dass der Wurfring im Diskuskäfig rutschig wurde. Wieder keine guten Bedingungen für eine schnelle Drehung mit glatten Wurfschuhen und so gab es erneut den Schuhwechsel. Nach einem Sicherheitswurf im ersten Durchgang, der mit 24,61 Metern vermessen wurde, riskierte Tim im zweiten Versuch schon mehr, traf den Wurf aber gar nicht und machte ihn ungültig. Im dritten und letzten Durchgang gelang ihm dann ein besserer Versuch auf eine Weite von 25,35 Metern, mit der er voll im Soll lag. Als nächstes stand der Stabhochsprung auf dem Programm, für den er noch kurz vor der WM mit dem ehemaligen Bundestrainer Thomas Weise (Bad Sooden-Allendorf) geübt hatte. Dies erwies sich als goldrichtig, denn so konnte sich Tim auf genau den Stab einstellen, der ihm bei den Wettkämpfen in Finnland auch zur Verfügung stand. Mit einer Höhe von glatt drei Metern verbesserte er seine bisherige Bestleistung aus diesem Jahr um satte 30 Zentimeter und stieg bei der nächsten Höhe von 3,10 Metern freiwillig aus, um sich für den Speerwurf und vor allem für den abschließenden 1500-Meter-Lauf zu schonen. Sein persönliches Ziel im Speerwurf von 38 Metern erreichte Tim im dritten und letzten Versuch, als er das 800 Gramm schwere Gerät auf 38,78 Meter beförderte. Wieder ein sehr ordentliches Ergebnis, welches ihn auf einem komfortablen fünften Rang in der Gesamtwertung hielt. Das Highlight sollte dann der 1500-Meter-Lauf werden, der bekanntermaßen Paradedisziplin ist. Beflügelt von den starken Leistungen im Ratina Stadion und angetrieben von US-Lokomotive Jeff Thomas wächst Tim hier über sich hinaus. Dicht im Windschatten des Amerikaners, der mit seiner aggressiven Taktik einen Angriff auf den bis dato drittplatzierten Italiener startete, konnte er das ungewöhnlich hohe Tempo problemlos mitgehen. Der Rest des Feldes folgte weit abgeschlagen. Die Durchgangszeit des Spitzenduos bei 1000 Metern betrug 3:03 Minuten. Auf der letzten Stadionrunde folgte das, was kommen musste: „150 Meter vor Ziel habe ich dann die Rakete gezündet und bin an Jeff vorbei“, beschreibt Tim den Rennverlauf in der entscheidenden Phase. Der US-Amerikaner hatte diesem Endspurt nichts entgegenzusetzen und so stürmte der Espenauer in 4:34,69 Minuten zum hoch verdienten Disziplinsieg. Diese Leistung bedeutet nicht nur die Pulverisierung seiner Seniorenbestleistung, sondern bringt mit 801 Punkten die höchste Einzelwertung von allen Zehnkämpfern der Altersklasse M40. Favorit Jorge Sanchez Simon aus Spanien gewinnt deutlich vor dem Briten Kevin Cranmer und Jeff Thomas, der mit dem zweitschnellsten 1500m-Lauf den Italiener Valerio Terreni vom Bronzeplatz verdrängte. Tim Reitz schließt mit 5513 Punkten den Zehnkampf als Fünfter und bester Deutscher ab. Seinen Vorsprung auf den zweitbesten Deutschen Carsten Nitschke (Rang 6) hat er bis 457 Punkte ausgebaut. Ein großartiges Ergebnis, das Tim am Abend mit seinen Sportskameraden und Kollegen gebührend feierte.

 

 

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